LRS und Sehen – die möglichen Zusammenhänge
Bei uns in der Praxis für Sehverhalten besteht das Klientel vorwiegend aus Grundschulkindern mit Schwierigkeiten in den Bereichen Lesen und Schreiben.
In der Regel wurden die Kinder schon augenärztlich untersucht, ohne Befund.
Das heißt, es bestehen keine Augenerkrankungen und die Augen erreichen eine ausreichende Sehleistung, wenn notwendig auch mit einer Korrekturbrille. Und trotzdem werden die Eltern den Verdacht nicht los,
„ dass etwas mit den Augen nicht stimmt “.
Eine ausführliche visuelle Analyse zeigt dann in fast allen Fällen, dass Störungen der Sehfunktionen vorliegen. Und gutes Sehen ist so viel mehr als nur eine gute Sehleistung!
Wie kommt eigentlich gutes Sehen zustande? Die Augen müssen auch als Team zusammenarbeiten und verschiedene Aufgaben erfüllen:
Das Augenpaar muss zum Beispiel gemeinsam flüssige Augenbewegungen in alle Richtungen ausführen können. Auch präzise Blicksprünge müssen gemeinsam exakt ausgeführt werden können.
Beispiele sind das Lesen und Abschreiben. ( Augenfolgebewegungen, Blicksakkaden )
Eine weitere Aufgabe ist das Scharfstellen. Wie bei einem Fotoapparat muss das Auge sich auf Objekte in unterschiedlicher Entfernung immer wieder neu fokussieren. Auch hier gibt die Schule ein wunderbares Beispiel her, nämlich den Blickwechsel von der Wandtafel zum Heft und umgekehrt. ( Akkommodation )
Dann müssen die Augen gemeinsam in der Lage sein, Objekte in verschiedener Entfernung fixieren zu können. Dazu muss sich das Augenpaar auf unterschiedliche Winkel einstellen, zum Beispiel von einer Vorlage zum Bildschirm oder vom Schreibheft zur Wandtafel. ( Vergenzen )
Dem Gesehenen muss aber auch eine Bedeutung gegeben werden können. Wir müssen dem korrekt erfassten Objekt einen Sinn geben um die so erhaltene Information entsprechend verwerten zu können. Wenn wir zum Beispiel jedes Mal neu lernen müssten, wozu eine Tasse dient oder dass der auf uns zu fliegende Ball gleich auf unserer Nase landen wird, wäre das sehr anstrengend. ( Wahrnehmung )
Bei einigen Kindern stimmt die visuelle Mitte nicht mit der körperlichen Mitte überein, die Selbstwahrnehmung ist dadurch permanent in Unruhe. Hier sind typische Schwierigkeiten z.B. das Unterscheiden von d/b (ist der „Bauch“ des Buchstabens rechts oder links vom Strich?).
Das gute Sehen besteht aus all diesen Teilbereichen, die flüssig ineinandergreifen.
Normalerweise passiert das ganz unbewusst und erst dann besteht eine gute visuelle Leistungsfähigkeit. Anhand der Beispiele aus der Schule kann man sich jetzt bestimmt vorstellen, was für eine Herausforderung der Schulalltag an das visuelle System stellt.
Dass ein LRS Training bei Vorliegen dieser Defizite nicht so erfolgreich sein kann wie gewohnt, wird jetzt vermutlich verständlich.
Ein Defizit in einem oder mehreren dieser Teilbereiche kann durch Störungen in der kindlichen Entwicklung während des Aufrichtungsprozesses oder spätere Einflüsse entstanden sein.
Gutes Sehen kann durch ein Visualtraining bei einem Funktionaloptometristen erlernt und erlangt werden. Bei vielen Schulkindern kann damit das Lesen und Schreiben deutlich verbessert und deutlich anstrengungsfreier werden.
Die betroffenen Kinder sehen die Buchstaben z.B. verschwommen, tanzend, doppelt, mit wenig Kontrast oder berichten von anderen Phänomenen. Die Kinder werden diese Wahrnehmungen in der Regel aber nicht von sich aus äußern, denn für das Kind ist dieser Zustand normal und es glaubt, auch alle Anderen sehen so.
Typisch ist auch eine kurze Konzentrationsspanne.
Bei vielen betroffenen Kindern ist die Schreibhaltung auffällig. Kopfdrehung, Körperdrehung oder Verschieben des Blattes zu einer Seite können typische Kompensationsstrategien sein.
Auch das Abdecken eines Auges mit einer langen Haarsträhne kann beobachtet werden.
Das bekannte Thema Prismenbrillen behandelt vorwiegend das Thema der Vergenzen. Wir sehen bei der Messung der Vergenzen oft ganz stark den Einfluss der kompensatorischen Körperhaltung der Kinder. Veränderung der Körperhaltung führt zu Veränderung der Vergenz. Deshalb verzichten wir in der Regel auf das Verordnen von Prismenbrillen und setzen auf das ganzheitliche Training des gesamten Körpers.
Da die Augen nicht getrennt vom Körper zu betrachten sind, machen ausgewählte Körperübungen begleitend zum Visualtraining sehr viel Sinn. Und weil die visuelle Entwicklung mit der motorischen Entwicklung des Kleinkindes einhergeht, kann ein Training mit Körperübungen, die den Aufrichtungsprozess wiederholen, sogar präventiv wirksam sein!
Sehr wichtig bei LRS ist bekanntermaßen auch das Thema Hören, aber auch die Ernährung und das Sehverhalten im Alltag können einen Einfluss auf das Sehen haben und finden Platz in einem ganzheitlichen Visualtraining.
Schulkinder, die ihre Sehfunktionen erfolgreich trainieren, kommen an einem individuellen Punkt des Trainings manchmal strahlend an und erzählen, dass sie freiwillig ein Buch gelesen haben und was für tolle Geschichten darin erzählt wurden.
Solche Momente sind besonders wertvoll und sorgen für Freude bei Kind, Eltern und Trainern. Ein wichtiger Schritt ist getan!
Wenn Du einen kompetenten Ansprechpartner für das Thema Augen und LRS suchst, dann ist eine:e Funktionaloptometrist:in die richtige Ansprechperson für Dich. Adressen in Deiner Nähe findest Du unter: https://www.wvao.org/expertenfinden-suche/ oder bei https://www.boaf-eu.org/fosearch
Augenoptikerin
Sensorisch Integrative Mototherapie SIM
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Angestellt in der Praxis für Sehverhalten
Markus Elmendorf
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